CS Bildreisen


Piazza San Marco

Basilica San Marco

Palazzo Ducale

Canal Grande

La Pescheria

Cannaregio

Castello

Arsenale

San Michele

Le Isole

La Laguna

Cannaregio

     

     

Das ältestes Ghetto der Welt

Viele Minderheiten, Griechen, Dalmatiner, Armenier, Türken, Deutsche hatten in Venedig Handelsniederlassungen, um die sich eigene Wohnviertel bildeten. Der Fondaco dei Tedeschi oder der Fondaco dei Turchi erinnern noch daran.
Die Juden Venedigs hatten ihren Geschäftsbereich zunächst auf der Insel Spinalunga, die später Giudecca genannt wurde. Die Handelsmöglichkeiten der Juden waren streng begrenzt, aber wenn es günstig war, lieh sich die Republik Venedig gern bei ihnen Geld und benützte auch ihre Handelsverbindungen, um weiterhin in Länder zu exportieren, mit denen Venedig Krieg führte. Die Bedeutung der Juden für das komplizierte Handelsgefüge war so groß, dass sie nach Zeiten der Ausweisung aus der Stadt wieder zurückgeholt wurden. Befristete Aufenthaltsgenehmigungen wurden ausgestellt, und äußere Erkennungsmerkmale wurden verordnet: 1394 mussten Juden einen gelben Kreis auf dem Mantel tragen, nach 1496 einen gelben und ab 1500 einen roten Hut.
1509 strömten große Mengen von Flüchtlingen in die Lagune. Nachdem die unmittelbare Notsituation überstanden war, wollte Venedig die Flüchtlinge wieder loswerden, vor allem die Juden. Aber der Senat wusste, wie bedeutend die Handelstätigkeit der Juden war, und wählte deshalb einen anderen Weg, ungewöhnlich, aber zweckmäßig: er entschied, dass die Juden von dem Rest der Bevölkerung in einem geeigneten Viertel, dem Ghetto, abgesondert leben sollten. Die Venezianer, die in allen Dingen geschäftsmäßig kalkulierten, wollten diesen wichtigen Wirtschaftsfaktor nicht eliminieren, sondern unter Kontrolle halten.
Die Juden wurden in einem Viertel, in dem früher eine Gießerei beherbergt war, angesiedelt. So wurden die Juden genauso isoliert wie früher wegen der möglichen Brandgefahr die Gießerei. Die Kanäle, die das Viertel umgaben, sollten ein Übergreifen möglicher Brände verhindern. Die Bezeichnung „Ghetto“ soll von dem italienischen Wort „getare“ = gießen, „geto“ = Gießerei abgeleitet sein. Der Begriff wurde sehr schnell in ganz Europa zum Synonym für die erzwungene Absonderung und Trennung vor allem der Juden. Kein Jude durfte nachts das Ghetto verlassen, es konnte aber auch keiner, der nicht dazugehörte, hinein. Christliche Wächter schlossen und öffneten das Tor. Die Juden hatten sie zu bezahlen. Die aus Spanien und Portugal geflüchteten Juden wussten es mehr zu schätzen als ihre venezianischen Glaubensgenossen, dass das Ghetto auch Schutz bedeuteten konnte. So entstand aus venezianischem Geschäftsdenken, aus Angst und Vorsicht eine Idee mit unabsehbaren Folgen.
Am 29.3.1516 wurden die Juden deutscher und italienischer Abstammung zur Umsiedlung auf das Gebiet des Ghetto Nuovo gezwungen. Das Gebiet war teilweise schon bewohnt, der zur Verfügung stehend Platz von Anfang an unzureichend. Mit dem Anwachsen der Familien und weiterem Zuzug verschlechterte sich die Situation: es ergab sich eine Dichte von weniger als 2 m2 pro Kopf. Um diese außerordentliche Anzahl zu verkraften, wurden die Häuser aufgeteilt, im Innern zerstückelt, um auch den kleinsten Winkel ausnutzen zu können. Stockwerke wurden auf gefährliche Ausmaße aufgesetzt: mit bis zu neun Stockwerken entstanden im 16. Jahrhundert die ersten Wolkenkratzer. Es wurden gemauerte Übergänge geschaffen, die es den Bewohnern gestatteten, von einem Haus zum anderen zu kommen, von den Häusern zur Synagoge und den Versammlungsstätten.
Die jüdische Gemeinde untergliederte sich je nach ihrer Herkunft in italienische, deutsche, levantinische , spanische Gruppen. Jede Gruppe hatte eine eigene Synagoge; eingefügt in die Mietskasernen des Ghettos waren sie nach außen perfekt getarnt, im Innern zunächst einfach gegliedert und eingerichtet. Erst im Laufe der Zeit wurden die Räume geschmückt, teilweise nach den von christlichen Baumeistern gelieferten Vorbildern.
Die fünf Synagogen sind so versteckt, dass man sie ohne Hilfe nicht findet. Die aus dem deutschen Einflussgebiet stammende Ashkenase-Gruppe gründete 1528 die älteste Synagoge, die Schola Tedesca. Einst war sie über winkelige Gänge von jedem Wohnhaus erreichbar, von außen verriet nichts, was sie barg. Es war nicht ratsam, die Aufmerksamkeit der Herrschenden zu erregen. Der Sakralraum liegt im Oberstock, die Stiegen, die hinaufführen, sehen nicht anders aus als in einem Wohnhaus. Welcher Kontrast zu den triumphalen Eingängen venezianischer Kirchen dieser Zeit! Den orientalischen Juden war die Schola Levantina gewidmet. Die größte und berühmteste Synagoge ist die Schola Spagnola. Sie trägt die Handschrift Baldassare Longhenas - von ihm stammen berühmte Paläste und Kirchen wie die Ca' Rezzonico und Santa Maria della Salute. Inzwischen kann man von dem jüdischen Museum aus auch die im selben Gebäude im dritten Stock befindliche Schola Canton besichtigen. Sie wurde 1531/32 begonnen und kontinuierlich bis 1846 erweitert und bereichert, wie die Gedenktafeln an den Wänden es bestätigen. Es war eine Synagoge für den ashkenasischen Ritus, möglicherweise für französisch sprechende Juden aus der Schweiz. Von außen ist sie nur durch die Kuppel der Apsis zu erkennen. Fünf große Fenster, die zum Kanal hinausgehen, erleuchten den Raum, dessen Wände und Decke von einer wertvollen Holzverkleidung bedeckt sind.

Quellen: Eva Bakos, Venedig. Köln 61988 S. 114-118; Annie Sacerdoti/Luca Fiorentino, Guida all’Italia ebraica. Genova 1986 S. 95-110; Umberto Fortis, il Ghetto sulla laguna. Venezia 1987

© Wiard Cassens-Sasse
In Tetelrath 2002
Cassenssasse@compuserve.de